Seit Monaten versammeln sich jeden Montag Dutzende von Querdenkerinnen im Seevetaler Ortsteil Hittfeld; die lokale Presse berichtete verschiedentlich, zuletzt das Hamburger Abendblatt (HA) am 1. Juni 2021 unter der Überschrift: "Ärger mit den Corona-Andachten in Hittfeld" (€).
Mein kleiner Versuch, schon Anfang April die Zivilgesellschaft mit einer Mail an die Seevetaler Bürgermeisterin sowie einige lokale Politiker und Politikerinnen zu einer Gegenreaktion, einem Appell o.ä. zu bewegen, blieb ohne nennenswerte Resonanz.
Bemerkenswert scheint mir allein die schriftliche Replik des Vorsitzenden der hiesigen Freien Wähler zu sein, die mit immerhin sechs Männern bzw. Frauen im Seevetaler Rat sitzen. Zeigen doch seine Antworten, dass die Hittfelder Leugner einen Sympathisanten mitten im Gemeinderat hocken haben.
Hier die Antwort dieses Willy Klingenberg auf meine Mail an die Politik sowie meine Replik an ihn, dazu eine weitere Botschaft von ihm, die ich nicht mehr beantwortete. Ich hatte um ein Statement der Seevetaler Zivilgesellschaft zu den sog. Corona-Andachten gebeten. Das von Klingenberg ist eins.
Am 12.04.2021 um 23:11 schrieb Willy Klingenberg
Sehr geehrter Herr Tietz,
ich habe Ihr Anliegen durchgelesen und kann Ihnen meinen Standpunkt dazu wie folgt mitteilen:
Grundsätzlich:Ich stehe für den Erhalt bzw. Ausbau unserer Demokratie. Dazu gehört die Zulässigkeit von Versammlungen und Demonstrationen. Wenn wir anfangen, die Versammlungsfreiheit zu verbieten oder einzuschränken steuern wir Zustände an, die beispielsweise im Dritten Reich üblich waren. Wollen Sie das?
Also wir FREIE WÄHLER wollen das nicht und deshalb sehe ich keine Notwendigkeit Versammlungen zu verhindern, solange sie friedlich verlaufen. Gewalttätige Versammlungen müssen natürlich aufgelöst werden. Natürlich mischen sich immer auch Links-u. Rechtsextremisten in Demonstrationen ein, um bei der Verbreitung ihrer politischen Ideologien voranzukommen. Wenn wir das als Grund angeben, um Versammlungen zu verbieten, sind wir schon bald in der Diktatur angekommen.
Zum Thema: Aufgrund meiner politischen Tätigkeit sehe ich durchaus Bestrebungen der Executive die Corona-Krise zu instrumentalisieren, um die Handlungsfähigkeit von Abgeordneten einzuschränken. Entsprechende Anträge, die in Richtung des Ermächtigungsgesetzes von 1933 gehen wurden gestellt, konnten sich allerdings bisher nicht durchsetzen, zumindest nicht bei uns…
Wenn ich mir den Katalog von Corona Maßnahmen ansehe, habe ich den Eindruck, dass die Krise bewusst in die Länge gezogen wird. Durch den Einsatz von Virenfiltern beispielsweise lassen sich mehr als 99,99% der Viren aus der Raumluft filtern. Wir haben die Installation dieser Filter in Schulen und Kitas beantragt. Mit dem flächendeckenden Einsatz derartiger Filteranlagen könnte auf den Lockdown verzichtet werden. Dieser Antrag wurde allerdings von den Regierungsparteien CDU und SPD abgelehnt. Man bezieht sich dabei auf ein Gutachten des Umweltbundesamtes, indem ausgesagt wird, dass der Einsatz von Virenfiltern nichts bringen würde…
Klar 99,99% Wirkungsgrad ist ja auch so gut wie nichts. Liegt diese Blockadehaltung vielleicht daran, dass unsere Abgeordneten am Maskengeschäft prächtig verdienen?
Dies ist nur ein Beispiel. Die Liste der Fehlentscheidungen in Sachen Coronaschutzmaßnahmen ist lang. Unser Mittelstand wird damit zu Grund gerichtet. Vor diesem Hintergrund kann ich gut nachvollziehen, dass Bürgerinnen und Bürger gegen die Maßnahmen unserer Regierung demonstrieren.
freundliche GrüßeWilly KlingenbergFREIE WÄHLER LK-Harburg
Am 13. Apr. 2021 um 22:40 schrieb Fritz Tietz
Sehr geehrter Herr Klingenberg,
was auch immer Sie durchgelesen haben, meine Mail war es nicht. Von Versammlungsverboten oder Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die zu wollen Sie mir unterstellen, ist darin zum Beispiel nirgends die Rede. Auch sonst scheinen Sie wenig bis gar nichts von meinem Anliegen verstanden zu haben. Denn natürlich dürfen Corona-Maßnahmen kritisiert werden, so wie ich das zum Beispiel auch tue, indem ich sie als nicht konsequent genug verurteile. Fragwürdig wird es nur, wenn eine Kritik mit falschen oder unbelegten Behauptungen, unwissenschaftlichem Quark und antisemitischen Stereotypen unterfüttert wird, so wie es auf den sog. Corona-Andachten in Hittfeld regelmäßig geschieht. Dazu sagen Sie in Ihrer Antwort allerdings nichts.
Eher schlagen Sie in eine ganz ähnliche Kerbe wie die Leugner. Ihr geschichtsvergessenes Geraune über “Zustände wie beispielsweise im Dritten Reich” oder dass “wir schon bald in der Diktatur angekommen” seien, kommt jedenfalls der von Querdenkern und Neonazis häufig praktizierten Verhöhnung und Verunglimpfung der Opfer von Nationalsozialismus und anderen Gewaltherrschaften schon sehr nah. Das gleiche gilt für Ihre Unverschämtheit, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit denen der Ermächtigungsgesetze von 1933 zu vergleichen. Wenn das Ihre Ansätze "für den Erhalt bzw. Ausbau unserer Demokratie" sind, täte es mir leid, Sie überhaupt kontaktiert zu haben. Denn eigentlich habe ich mit Leuten, die rechtsextreme Inhalte teilen, nichts am Hut.
Nein danke. Keine weiteren Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Tietz
Am 14. April 2021 um 21:28 schrieb Willy Klingenberg
Sehr geehrter Herr Tietz,
Ihre Aussage: "zur Taktik von Rechtsextremen gehört es, sich als rechtschaffene Kümmerer auszugeben, um so ihre eigentlich radikalen Ziele zu verschleiern…" trifft auf Sie offensichtlich zu, denn Sie stellen sich in Ihrem Anschreiben als "rechtschaffener Kümmerer" dar, der sich darum kümmert, gegen bedenkliche Demonstrationen abzuwehren. Bei diesen Demonstrationen geht es allerdings in erster Linie darum, sich gegen Ausgangssperren, Maskenpflicht im Freien, Demokratieabbau durch Ermächtigungsgesetze, Zerstörung mittelständischer Betriebe durch Zwangsschließungen und sonstige Repressalien aufzulehnen. Diese (Macht)politik stellt unsere freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage und bringt für die Pandemiebekämpfung so gut wie nichts. Die Sorge, dass eine derartige Entwicklung zu einem autoritären Staat führt, ist insofern berechtigt. Sie fordern in Ihrem letzten Schreiben noch mehr Repressalien und machen dabei deutlich wie extrem weit rechts Sie tatsächlich stehen. Vielleicht sollten Sie anstatt bei uns lieber bei der NPD um Unterstützung bitten.
Freundliche GrüßeWilly Klingenberg
Update 10.6.2021
Der Hamburger Journalist Andreas Speit ist einer der besten Kenner des Rechtsextremismus' in Deutschland. In seiner taz-Kolumne “Der rechte Rand” beschäftigt er sich mit der Hittfelder Querdenkerszene und ihrem Fanboy aus der Kommunalpolitik: Willy Klingenberg von den Freien Wählern.
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