Andis Vermächtnis

Ein paar Anmerkungen zur Bearbeitung von Andis Super-8-Filmen

45 Jahre sind eine lange Zeit. Da vergisst oder verdrängt man schon mal einiges, und so manches verklärt sich in der Erinnerung auch. Ich war wohl deshalb, nein, nicht enttäuscht, aber schon etwas ernüchtert, als ich Anfang letzten Jahres den ersten von Andis überraschend wieder aufgetauchten Super-8-Filmen sah. 

Natürlich war das alles sehr interessant anzusehen: Die Bilder aus den späten 1970ern in diesen seltsam verwaschenen Farben, in die die Welt damals tatsächlich getaucht zu sein schien. Dazu die verrauschten Töne aus der dadurch heute noch unwirklicher erscheinenden Vergangenheit und die – wie man nach einem halben Jahrhundert ja schon fast sagen kann – historischen Bielefeldansichten. Nicht zu vergessen auch die an den verschiedenen Locations agierenden Freunde und Freundinnen in der Blüte ihrer Jugend; von den Begegnungen mit mir selbst als ebenfalls in dem Film herumspringendem Siebzehnjährigen ganz zu schweigen.
Allerdings: in technisch-künstlerischer Hinsicht hatte ich den 30 Minuten langen Spielfilm, von dem ich weiß, dass Andi ihn als Arbeitsprobe für eine Bewerbung an der Filmhochschule konzipiert hatte, in ganz anderer Erinnerung. Was ich jetzt sah, kam mir doch eher unfertig vor. Viele verwackelte Einstellungen, etliche holprige Übergänge, einige teils quälende Längen. Kaum ein Bildschnitt, der richtig saß. Die streckenweise unterlegte Musik war von mäßiger Tonqualität und hatte ebenso häufige wie nervige Aussetzer. Auch sonst brach der Ton immer mal wieder unvermittelt ab. Dazu wirkten etliche der darstellerischen Leistungen von uns Schauspielern eher unbeholfen als wirklich gelungen.

Kurzum: so wie uns Andi seinen Film hinterlassen hatte, kam er mir längst nicht mehr so großartig vor wie ich ihn in Erinnerung hatte. Genau besehen, so musste ich mir mit dem Zuschauerblick von heute eingestehen, handelte es sich um eine allenfalls grob geschnittene Rohfassung von dem, was ich damals für einen von Andis besten Filmen hielt. Und wie sich bald herausstellte, galt diese Erkenntnis fast genauso für die meisten seiner übrigen Filme. Aber natürlich ist das kein Wunder. Andi verfügte schlichtweg nicht über die technischen Möglichkeiten, um seine Werke durch Kürzungen und Verdichtungen zu verfeinern und weitgehend fehlerfrei zu montieren und zu vertonen.
Genau das habe ich nun 45 Jahre später zu erledigen versucht, und das Ergebnis war hier erstmals zu sehen. Ich weiß natürlich nicht, wie Andi seine Filme mit den heutigen Mitteln angegangen wäre, auch nicht, ob er ihre Bearbeitung überhaupt gewollt hätte. Ich denke aber, dass die 16 Kurzfilme mit einer Gesamtlaufzeit von 92 Minuten, die ich aus dem über vierstündigen Ausgangsmaterial zusammengestellt habe, Andis Absichten insgesamt deutlicher und seine Geschichten zugänglicher machen. Und hoffe mal einfach, dass ihm meine Arbeit gefallen hätte. 

Was mir aber vor allem wichtig ist: dass sich auch nach meiner Bearbeitung seines filmischen Nachlasses der immense Spaß und die unbändige Energie vermittelt, die ihn und uns, seine Mitstreiter vor und an der Kamera, immer wieder zu den abstrusesten Dreharbeiten trieben. Die Vergegenwärtigung dieses von ungestümem Vorwärtsdrang und überschwänglicher Angriffslust geprägten Lebensgefühls, das wir in diesen Jahren entwickelten, war meine größte Motivation, mir Andis Vermächtnis vorzuknöpfen, um so unsere gemeinsame “Jugend in Super 8” so eindrücklich wie möglich für die Nachwelt zu erhalten.

Fritz Tietz